Leo Card. Scheffczyk

Eucharistie und priesterliche Identität im Lichte von „Ecclesia de Eucharistia“

 

Die Eucharistieenzyklika Johannes Pauls II. „Ecclesia de Eucharistia“ vom Gründonnerstag (17.4.) dieses Jahres (2003) hat den katholischen Christen, zumal in Deutschland, neue Bestärkung und Zuversicht bezüglich des Eucharistieglaubens vermittelt. Die Notwendigkeit dieser Unterstützung trat am Geschehen des Ökumenischen Kirchentages (vom 29.5. - 1.6.2003) besonders drastisch zutage, wo nicht nur zwei gemeinschaftliche ökumenische Abendmahlsfeiern abgehalten wurden nebst zwei Interkommunionveranstaltungen von katholischen Priestern, sondern wo auch eine Statistik veröffentlicht wurde, nach der 88% der Katholiken Deutschlands keinen Unterschied mehr zwischen der katholischen Eucharistie, dem Hl. Meßopfer, und dem evangelischen Abendmahl anerkennen würde (1).

An diesen Fakten und Daten kann deutlich werden, in welche Bedrängnisse der Eucharistieglaube als Zentrum des lebendigen katholischen Glaubenslebens geraten ist. Schon hier zeigt sich der gewisse lebensmäßige Unterschied zwischen katholischer und evangelischer Eucharistieauffassung; denn evangelische Gläubigkeit könnte die Eucharistie nie als Zentrum ihres Lebens ausgeben. Die heutige Unstetigkeit in der Eucharistielehre geht in besonderer Weise den Priester an, sei es als letzten Verantwortlichen für das Leben der Gemeinde, sei es vor allem als förmlichen Vollstrecker des Opfers Christi und der Kirche, der in dieser seiner Position in ein einzigartiges Verhältnis zu Christus tritt.

Deshalb kommt das Schreiben immer wieder auf die Verbindung zwischen dem Priester und der Eucharistie zu sprechen, obgleich das Hauptthema die Lebenseinheit von Eucharistie und Kirche ist. So ist es angebracht, zunächst einmal dieses Hauptthema umrißhaft darzustellen, um danach erst auf die Mitte zu stoßen, in welcher der Priester und sein Tun ihre Stellung haben. Die Aussagen der Enzyklika zum Thema sind nicht in ein abstraktes theologisches Gerüst eingefügt, sondern ergehen in der Form einer frommen, staunenden Betrachtung und eines ergriffenen Bekenntnisses des Geheimnisses der Eucharistie. Es ist am Anfang mehrmals von „Gefühlen großen und dankbaren Staunens“ die Rede (nr. 5;  6), die den Gläubigen bei der Betrachtung der Eucharistie erfüllen. Dem entspricht eine Darstellung des Eucharistiegeheimnisses, die von persönlicher Erfahrung und innerer Betroffenheit durchstimmt ist über das sakramentale Lebenszentrum, aus dem heraus die Kirche existiert und wächst.

Der das Ganze tragende und gestaltende Gedanke ist der von dem quellhaften, lebenspendenden, aufbauenden Charakter der Eucharistie mit Bezug auf die Kirche. In dieses Grundkonzept von der Eucharistie als Lebensquell der Kirche ist dann auch die Stellung des Priesters eingefügt, auf welche die folgenden Gedanken vor allem gelenkt werden sollen. Aber bevor das geschieht, muß der eigentümliche Ansatz und der Gesamtentwurf dieses lobpreisenden Eucharistiebekenntnisses näher beleuchtet werden, durch den die Eucharistie in den Ursprung der Kirche hineinversetzt wird.

 

1)  Die Eucharistie als Quell der Kirche

Dieser Gesichtspunkt verleiht dem Eucharistieglauben eine gewisse neue Akzentuierung und eine Bedeutungssteigerung. Die heute vorherrschende Ansicht geht von einem anderen Bilde aus und erkennt in der Eucharistie mehr den Zielpunkt aller anderen Sakramente und den Gipfel des kirchlichen Lebens. Im Vollzug der Liturgie zeigt sich das daran, daßallgemein dem Empfang der Sakramente als Höchstes der Empfang der Eucharistie folgen soll. Deshalb beruft sich auch Johannes Paul II. in der Enzyklika auf das bekannte Wort des Zweiten Vatikanums, nach dem das „eucharistische Opfer Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens ist“ (2). Bei genauerem Hinblick läßt sich freilich feststellen, daßdie beiden verwendeten Bilder, „Quelle und Gipfel“, eigentlich nicht deckungsgleich sind, sondern einander disparat erscheinen, weil für unsere menschliche Anschauung Quelle und Gipfel nicht ganz harmonisch zusammenstimmen und als Orte nicht identifiziert werden können.

Daß wir aber hier und auch sonst in der Glaubenssprache solche disparaten Bilder gebrauchen und gebrauchen müssen, ist ein Hinweis darauf, daß die Glaubensgeheimnisse, hier die Eucharistie, das natürliche Denken und Sprechen weit überragen. Daraufhin ist das menschliche Sprechen meist gehalten, das Überragende auch in nicht ganz miteinander harmonierenden Bildern auszudrücken. Deshalb reden wir bei der Betrachtung der Eucharistie von beidem, von der Quelle und vom Gipfel. Aber es kommt dabei vor, daß wir unmerklich auf eines dieser beiden Momente oder Elemente den Nachdruck legen. Der Heilige Vater setzt in der Enzyklika offenbar den Akzent auf das Moment des Grundlegenden, des Ursprunghaften, des Quellhaften, des Aufbauenden der Eucharistie in der Kirche.

Es kann kein Zweifel sein, daß sich unter diesem Gesichtspunkt das Abgründige, das tief Geheimnishafte, Bestaunenswerte und Bewunderungs-würdige der Eucharistie angemessen zum Ausdruck bringen läßt. Das aber ist der Grundtenor und das Ziel dieses Schreibens, das nicht eine theoretische Wahrheit entfalten will, sondern diese Wahrheit im Gestus des Staunens, der Verehrung, der Betrachtung vorstellen will. Es sind dies Haltungen, die zuletzt in die Anbetung ausmünden. Es ist das ein Grundzug im Verständnis der Eucharistie, der dem heutigen Menschen und Christen in seiner Ausrichtung auf die Eucharistie als Tun, als gemeinschaftliches Handeln, als Praxis immer mehr abhanden zu kommen scheint.

In diese Grundhaltung der staunenden Verehrung fließt auch viel vom persönlichen Erleben des Papstes und der Erfahrung mit der Eucharistie ein, was man von gewisser Seite auch schon kritisiert hat, weil dabei angeblich das Objektive, das Lehrhafte und das die Wahrheit Betreffende an der Eucharistie zu kurz käme.  Aber die Geringschätzung der Wahrheit der Eucharistie kann man dem Schreiben tatsächlich nicht zum Vorwurf machen. Der eigentliche Einwand kommt aus einer anderen Richtung, die nämlich bedauert, daß das Schreiben angeblich nichts Neues bringe und vor allem die erhoffte Freigabe der Interkommunion nicht vornehme. Tatsächlich aber ist diese starke Verknüpfung von Eucharistie und Kirche schon etwas relativ Neues. Der starke Einschlag aber der eigenpersönlichen, der erfahrungsbestimmten und ehrfurchtsvoll anbetenden Note kann schon als ein leiser Fingerzeig darauf genommen werden, daß der HeiligeVater hiermit auch den Christen, besonders auch den Priestern, ein persönliches, von eigener Erfahrung und Frömmigkeit bestimmtes Verhältnis zur Eucharistie anempfehlen möchte. Freilich: auch ein solches persönliches Ergriffensein vom Mysterium, das der Papst in seinen Worten immer wieder bezeugt, ist nicht zu trennen von seiner Wahrheit und seinem inneren Gehalt. Beides wird heute im Zeitalter der postmodernen Subjektivität von vielen nicht mehr getroffen und auch von Priestern in seiner Verbindlichkeit nicht mehr fraglos anerkannt.

Deshalb bezieht der Heilige Vater in die Intention der Verehrung des Geheimnisses der die Kirche aufbauenden Eucharistie die wesentlichen Glaubenswahrheiten mit ein, beginnend mit der Begründung des Sakramentes im Abendmahlssaal nach den Berichten der synoptischen Evangelien. Von der Deutung dieses Mahles hängt für das Verständnis des ganzen Geheimnisses Entscheidendes ab. Deshalb geht es Johannes Paul II. bei der Erklärung des Abendmahlsgeschehens nicht nur um die Feststellung der Einsetzung eines Mahles und der Verpflichtung zum Nachvollzug bis zum Ende der Geschichte (1 Kor 11,26). Er verknüpft dieses Mahl, was heute leider oft bestritten wird, mit dem Opfer des Kreuzes und stattet das Mahlgeschehen unauflöslich mit dem Merkmal dieses Opfers aus. Wörtlich heißt es an einer Stelle: „Er bestätigte nicht nur, daß das, was er ihnen zum Essen und zum Trinken gab, sein Leib und sein Blut war, sondern er drückte darüber hinaus den Opfercharakter aus und läßt damit sein Opfer, das einige Stunden später am Kreuz für das Heil aller dargebracht werden sollte, auf sakramentale Weise gegenwärtig werden“ (nr. 12). Der dahinterstehende Gedanke besagt im Zusammenhang: Die Eucharistie könnte nicht die Quelle und Aufbaukraft der Kirche sein, wenn sie nicht mit dem Opfer Christi identisch wäre. Vom Opfer Christi aber geht der Gedanke weiter zum Opfer der Kirche. Das führt zu der Erkenntnis: Die Eucharistie könnte auch nicht die Lebenskraft der Kirche darstellen, wenn sich die Kirche das Opfer Christi nicht gänzlich zu eigen machte, wenn sie das Opfer Christi nicht in ihre Hände nähme, sich selbst nicht darin einschlösse und so nicht auch ihr eigenes Opfer darbrächte. Darum wiederholt der Papst den Satz aus Lumen Gentium (3): „In der Teilnahme am Opfer Christi …, bringen sie [die Gläubigen] das göttliche Opferlamm Gott dar und sich selbst mit ihm“ (nr. 13). Der Gedanke, daß die Eucharistie „auch Opfer der Kirche ist, wird heute in der ökumenischen Diskussion wenig hervorgekehrt und gelegentlich als <sekundär> bezeichnet“ (4), vielfach gilt er aber auch schon als aufgebbar.

Das Opfer der Eucharistie kann natürlich nur das eine und gleiche wie das Kreuzesopfer sein, weshalb die Opfergabe dieselbe sein muß. Dies aber kann nach der dem katholischen Glauben eigenen Theo-Logik nur durch eine Wandlung der Gaben gewährleistet sein. Deshalb vertritt Johannes Paul II. in diesem seinem Schreiben anglegentlichdie eucharistische Wesensverwandlung als Wahrheit und göttliches Ereignis. Nur so ist die wahre und sakramental bleibende Realpräsenz Christi zu halten, welche die Einzigkeitdes Sakramentes ausmacht und es auch zum Lebensgrund der Kirche werden läßt. Man verfehlt tatsächlich diesen Grund, wenn man, wie es ein katholischer Ökumenikerauf dem vergangenen „Ökumenischen Kirchentag“ tat, die Wandlung als eine metaphysische Theorie ablehnt und daraufhin keine Realpräsenz mehr annimmt, sondern nur noch eine sogenannteAktualpräsenz. Das ist die handelnde Gegenwart Christi als Mahlherr, die aber in ähnlicher Weise bei allen Sakramenten gegeben ist. Aber die Eucharistie wäre auch als Mahl, als Kommunion, nicht der Lebens- und der Gnadengrund der Kirche, wenn in ihr die Gnadengabe mit dem Gnadengeber, dem Gnadenhaupt nicht identisch wäre. Nur so, d. h. aufgrund der somatischen Realpräsenz, kann die Eucharistie auch die von der Enzyklika hervorgehobene kosmische Bedeutung erlangen, nämlich in Weiterführung und Ausfaltung der Menschwerdung Christi. Daraus resultiert schließlich auch die eschatologische Spannung auf das sichtbare zweite Kommen des Herrn, das auch nur gewährleistet ist, wenn in der Eucharistie dieser Herr gegenwärtig ist, wenn auch in unsichtbarer, vergeistigter, sakramentaler Weise.

Diese eucharistischen Grundwahrheiten müssen beachtet werden, wenn man die Stellung des Priesters zur Eucharistie und in ihr festlegen und seine Identität, d. h. seine Selbigkeit, bestimmen will, die heute nur noch wenig von der Eucharistie abhängig gemacht wird. Das über die Stellung des Priesters Gesagte und nun etwas Auszuführende läßtsich zusammenfassen unter dem Titel

 

2)  Der Priester in der Stellvertretung und Repräsentanz Christi

Die Darlegung des Geheimnisses der Eucharistie in dieser Enzyklika verkennt nicht, daß die Eucharistie als Opfer der Kirche auch das Opfer der Gläubigen ist. Mit Bezug auf das Zweite Vatikanum hält die Enzyklika daran fest, daß es „in der Tat den Gläubigen zukommt“ <kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mitzuwirken> (5). Aber der Unterschied zum Auftrag des Priesters bleibt nicht ungenannt. Er besagt: „Es ist aber der geweihte Priester, der <in der Person Christi das eucharistische Opfer vollzieht und es im Namen des ganzen Volkes darbringt>“ (nr. 28) (6). Diesen Sachverhalt unterstreicht der Papst mit einer konkreten Anweisung über die Eucharistiefeier bezüglich des Kanons, gegen die heute häufig verstoßen wird. Er fordert mit dem Missale Romanum, „daß es nur dem Priester zusteht, das Eucharistische Hochgebet zu sprechen, während das Volk sich im Glauben und im Schweigen damit verbindet“ (nr. 28).

Für eine Eucharistieenzyklika ist es verständlich, daß in ihrem Verlauf das Priestertum eng an das Altarssakrament angeschlossen und von daher bestimmt wird. Seit dem Konzil hat man sich angewöhnt, dies als Einengung des Priestertums auf das kultisch-sakramentale Verständnis zu kritisieren und das priesterliche Amt auch von der Wortverkündigung, von der Gemeindeleitung oder sogar von einem „gesellschaftskritischen Dienst“ her verständlich zu machen (7). Dementsprechend wollte man das priesterliche Amt auch weniger von der Weihe abhängig sein lassen als vielmehr von einer spezifischen Sendung (8). Demgegenüber ist zu sagen: Wenn das Spezifische dieser Sendung ungenannt bleibt, kann der Dienst des Priesters nicht von dem des Laien wesenhaft unterschieden werden. Dann kommt es zu dem, was der HeiligeVater im Apostolischen Schreiben „Christifideles Laici" (9) kritisch als „Tendenz zur Klerikalisierung der Laien“ kennzeichnet.

Der hier zu ermittelnde Unterschied liegt auf seiten der Priester im Empfang des Ordo, des Weihesakramentes, das den Priester mit einer besonderen „heiligen [d. h. gnadenhaften] Vollmacht“ ausstattet, welche er im Dienst an der Gemeinde der Gläubigen ausüben soll. Diese Vollmacht verleiht ihm eine besondere Nähe zu Christus und eine Verbindung mit ihm, die den Priester im Vollzug seines Amtes „in persona Christi“, ja, „in persona Christi capitis“(10) handeln läßt.

Es ist nun verständlich, daß eine Enzyklika über die Eucharistie das Amt und die Weihe des Priesters, auch das Handeln „in persona Christi“, besonders eng mit der Eucharistie verknüpft. Aber damit soll selbstverständlich die seit dem Konzil entwickelte Lehre der Kirche über das umfassende Wesen des Priesterlichen und seine Begründung in allen Ämtern Christi, also auch im Lehramt, nicht beschnitten werden. Allerdings wäre aber auch bezüglich einer vollentfalteten Grundlegung des Priestertums zu sagen, daß darin die priesterliche Vollmacht gegenüber der Eucharistie auch ihre hervorragende Stellung behalten würde und behalten müßte.

Diese Gewichtsverteilung gewinnt aber naturgemäß dort besondere Bedeutung, wo man die Eucharistie als Grund, Quelle, als Lebens- und Aufbauprinzip der Kirche betrachtet. Dann mußderjenige, der die Eucharistie in der Person Christi formell vollzieht, auch in seiner besonderen Stellung gewürdigt werden. Dem entspricht die Enzyklika dadurch, daßsie das Augenmerk besonders auf den „Spender der Eucharistie“ richtet, von der sie aber zugleich auch sagt, daß in ihr „der Tod und die Auferstehung Christi verkündet wird“ (nr. 11), so daß der Wort- und Verkündigungsdienst des Priesters von der Natur der Sache her nicht übersehen ist und auch für die Eucharistie Geltung hat. Aber bezeichnenderweise ist das erste Wort der Enzyklika über Priestertum und Eucharistie eine mehr spirituelle Erinnerung des Priesters an sein persönliches Verhältnis zur Eucharistie. Es heißt nämlich bald am Anfang vom Staunen über die Eucharistie, das die ganze Kirche empfinden muß: „In besonderer Weise jedoch muß es den Spender der Eucharistie ergreifen“ (nr. 5).

Allerdings bildet diese Erinnerung persönlicher Art nur die Voraussetzung für die objektive Begründung dieses Staunens in den Wahrheiten, die das Verhältnis des Priesters zur Eucharistie beinhalten. Eine Grundaussage über die Verbindung von Eucharistie und Priestertum findet sich im dritten Teil der Enzyklika, der den nicht so oft erwähnten Gedanken von der apostolischen Sukzession auch des Priesteramtes (und nicht nur des Bischofsamtes) behandelt. Dort heißt es: „Wenn die Eucharistie Mitte und Höhepunkt des Lebens der Kirche ist, so ist sie es in gleicher Weise für das priesterliche Amt“ (nr. 31). Die Eucharistie ist also auch Mitte und Gipfel des Priesterseins, offensichtlich seines persönlichen Lebens wie seines amtlichenTuns, eine folgenreiche Feststellung, die sogleich auch nach der objektiven Seite hin entfaltet wird.

Hier darf als Kernaussage das aus Lumen Gentium (11) genommene Wort gelten: „Der Amtspriester vollzieht das eucharistische Opfer in der Person Christi“  (nr. 29). Aber anders als in der Konzilsvorlage wird das Handeln in der Person Christi näher ausgelegt und erklärt. Als iuridischer Begriff verstanden, könnte er auch nur besagen, daßder Priester in der Rolle eines rechtmäßigen Vertreters steht, wie ein Gesandter das Staatsoberhaupt vertritt, zu dem er keine persönliche, geistig-innerliche Verbindung besitzen muß. Bei dem „Handeln-in-der-Person-Christi“ ist aber etwas Tieferes, etwas Seinsmäßiges gemeint. Dazu ergeht eine tieflotende Auslegung, die  besagt: Das „in persona“ heißt: in der spezifischen, sakramentalen Identifizierung mit dem Ewigen Hohenpriester, der Urheber und hauptsächliches Subjekt dieses seines eigenen Opfers ist, bei dem er in Wahrheit von niemandem ersetzt werden kann“ (nr. 29).

Bei genauerer Interpretation ergibt dieser Satz: Christus wird beim hl. Opfer durch den Priester nicht ersetzt. Er bleibt der eigentliche Opferpriester. Aber er bleibt auf sakramentale, d. h. zeichenhafte, aber zugleich auch wirksame Weise im Priester und in seinem Handeln gegenwärtig; er ist mit dem Priester sakramental identifiziert. Wenn man also, wie bei unserem Thema, nach der Identität des Priesters in der Eucharistie fragt, so hat man hier die präzise Antwort: Der Priester ist mit Christus sakramental identisch. Will man diese Identität näher bestimmen und auf der anderen Seite nichts Übertriebenes behaupten, so darf man sagen: Es handelt sich nicht um eine hypostatische Union mit Christus, weil der Priester natürlich sein menschliches Personsein nicht verliert. Es geht aber auch nicht um eine iuridische Beauftragung durch Christus, die keine geistig-personale Verbindung erbringen würde. Es geht letztlich um die abbildhafte, von der Gnade des Hauptes erfüllte Gleichsetzung mit Christus. Sie bietet die Garantie dafür, daß das eucharistische Opfer letztlich das Opfer des Hohenpriesters Christus bleibt, der aber den Priester doch zum personalen Medium seines Handelns nimmt.

Diese seinshaft-personale Verbindung geschieht näherhin im Weihesakrament, dessen Fehlen bei den evangelischen Christen den Verlust der „ursprünglichen und vollständigen Wirklichkeit des Weihesakramentes“ zur Folge hat (nr. 30). Deshalb, so heißt es weiter, „benötigt die Gemeinde unbedingt einen geweihtenPriester, der ihr vorsteht, um wirklich eucharistische Versammlung sein zu können“ (nr. 29). Diese Ordnung zwischen Christus, dem Priester und der Eucharistie ist nach diesem Dokument nicht eine etwa nur vom Recht der Kirche getroffene, sie ist Ausdruck der „von Christus gewählten Heilsordnung“ (nr. 29). Der Priester wird dadurch zum eigentlichen Vollstrecker des im Opfer der Kirche wiedervergegenwärtigtenKreuzesopfers Jesu Christi. Er geht dabei keine Personalunion mit Christus ein. Das Priestersein ist doch aber so eng mit der Person Jesu Christi verbunden, daß, wie wir heute aufgrund von „Ordinatio Sacerdotalis" (12) genauer wissen, eine Gleichheit mit Christus auch im männlichen Geschlecht gefordert ist und eine Frau keine Vollstreckerin der Eucharistie sein kann. Der Grund für diese Identifikation, auch im Geschlechtlichen, liegt in einem Umstand, der bisher wenig genannt und erwogen wurde, nämlich in der Identität des das Opfer vollziehenden Priesters auch mit dem am Kreuz das Opfer vollzogen habenden Christus. Eine Frau hat nicht am Kreuz gehangen. Zu etwas Derartigem war sie nicht berufen und konnte sie nicht berufen sein, nicht aus irgendeinem Mangel heraus, sondern aufgrund der ihr eigenen naturhaften Berufung und Würde, die auch in der Heilsordnung [vor allem in Maria] ihre Entsprechung findet, aber eben keine Entsprechung in der Eucharistie finden kann.

An dieser Stelle wäre der Ort, aus der objektiv-theologischen Stellung des Priesters in der Eucharistie als Repräsentant Christi die spirituell-aszetischen Folgerungen für das Leben des Priesters zu ziehen. Die Enzyklika bedenkt diese Folgerungen nicht ausführlich, deutet sie aber an, wenn sie von der Hirtenliebe des Priesters spricht. Diese Hirtenliebe, ein wohl nur anderer Ausdruck für die Gnade der Priesterweihe, „erwächst am stärksten aus dem eucharistischen Opfer. Es bildet deshalb die Mitte und die Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens“ (nr. 31) (13). Aufgrund dieser Gnade, so heißt es weiter, „ist der Priester in der Lage, in seinem Tagesablauf jede Zerstreutheit zu besiegen, indem er im eucharistischen Opfer, der Mitte seines Lebens und Amtes, die notwendige geistliche Energie findet …. Seine Tage werden so wahrhaftig eucharistisch sein“ (nr. 31). Das ist ein grundlegender Satz über eine priesterliche eucharistische Spiritualität, aus dem sich wesentliche Merkmale der priesterlichen Spiritualität ableiten ließen, u. a.: die Liebe zum eucharistischen Christusgeheimnis, ihre Überleitung auf die anderen, die anbefohlenen Gläubigen, in einer Existenz für die anderen, die in sich selbst auch die Selbsthingabe und das Opfer verwirklicht. Aus dieser Sicht ergeht auch die Empfehlung zur täglichen Eucharistiefeier (nr. 31). Aus der Verbindung der priesterlichen Existenz mit dem eucharistischen Christus und seiner leiblichen Gegenwart im ganzheitlichen Dasein für andere läßt sich auch ein spiritueller Zugang zum Zölibat des Priesters finden, ein Zugang, der von der gegenwärtigen Aversion gegen den Zölibat (14) als Charisma des Priestertums bewußt versperrt wird.

Freilich wirft diese Wahrheit von der sakramentalen Identität des Priesters mit Christus in der Eucharistie (15) mit ihren spirituell-aszetischen Folgerungen die Frage nach der Stellung des ebenso priesterlichen Volkes und der Gemeinde bei der Eucharistiefeier auf.

 

3)  Priesterliches Amt und priesterliches Volk in der Eucharistie

Die von Johannes Paul II. vertretene traditionelle Lehre, die freilich in Nuancen wie in der Betonung der dem Priester eignenden apostolischen Sukzession abgeleiteter Art auch eine gewisse Eigenständigkeit zeigt, wird heute freilich die bekannten Fragen nach der Stellung der Laien in der Kirche, besonders auch bei der Feier der Eucharistie aufkommen lassen. Man wird hinter dieser Positionierung des Priesters wieder eine Überordnung über die Gemeinde und eine Unterordnung der Laien vermuten.

Der Papst läßt in dem Rundschreiben keinen Zweifel darüber, daß die in der Heilsordnung geforderte Stellung des Priesters „auf radikale Weise die Vollmacht der Gemeinde überragt“ und daß sie „unersetzlich“ (nr. 29) ist. Dieser Gedanke wird ergänzt durch die Feststellung, daß die Gemeinde „unbedingt einen geweihten Priester benötigt, um wirklich eucharistische Versammlung sein zu können“ und daß ihr diesen nur der Bischof geben kann. Er ist es, der einem Manne die Vollmacht erbitten kann, die Gaben der Eucharistie konsekrieren und „in persona Christi“ handeln zu können.

Daneben wird freilich die Stellung des priesterlichen Volkes und der Gemeinde bei der Eucharistiefeier nicht verkannt. Auch die Gemeinde hat als Inhaberin des Taufpriestertums eine Anteilnahme am Opfergeschehen. Die „Gläubigen … wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit“ (nr. 27). Die Gemeinde ist, ohne daßdies das Dokument wörtlich sagt, auch Subjekt des Opfers, allerdings nicht ohne ihren Bezug zum opfernden Priester und zuletzt zum Hohenpriester Christus selbst. Der sich hier heute immer einstellenden Kritik auf eine Unterschätzung der Laien stellt das Dokument die Wahrheit entgegen: „Die Tatsache, daß die Vollmacht, die Eucharistie zu konsekrieren, ausschließlich den Bischöfen und Priestern anvertraut ist, stellt keine Herabsetzung des übrigen Gottesvolkes dar, da in der Gemeinschaft des einzigen Leibes Christi, der die Kirche ist, dieses Gut zum Vorteil aller gereicht“ (nr. 30).

Man kann dieses Argument, das die Stellung des Priestertums aus seiner Vorteilhaftigkeit für das Ganze der Kirche und aus seinem Nutzen für alle ableitet, noch vertiefen, und zwar an dem Geist des über das vom Priester als in der Person Christi, näherhin Christi des Hauptes, Handelnden Gesagte. Daran kann deutlich werden, daß der tiefste Grund dieser Ordnung der Repräsentation Christi im Priester nicht in einer äußeren Notwendigkeit gelegen ist, etwa wie im evangelischen Denken, das hier auf den Grundsatz zurückgeht, daß zwar alle Priester sind und die Eucharistie leiten können, daß dies aber der Ordnung wegen nur von einzelnen geübt werden kann. Der eigentliche heilsgeschichtliche Grund ist ein tieferer: Christus will auf dem Wege der seinshaften Repräsentation durch den Priester das weitergehende Heilsgeschehen in der Hand halten. Er hat es nicht nur einmal eingesetzt, er will es mit seiner Anwesenheit und seinem Handeln in einer dafür bestimmten Person auch fortsetzen.

Wer etwa dagegen einwendet, daß er diese Repräsentationsfähigkeit doch auch allen und jedem hätte zuteilen können, so daß jeder des anderen Priester sein könnte, vergißt, daßJesus in den Sakramenten und besonders in der Eucharistie eben auch als Haupt der Kirche und der Gläubigen, als einzigartiger Ursprung des Heils gegenwärtig sein wollte. Nun aber ist zu ersehen, daß das Hauptsein Christi sich nicht allen Gläubigen zuerkennen läßt. Ein Glaubender kann nicht das Haupt des anderen sein. Hauptseinverlangt ein qualifiziertes Gegenübersein zu den Gläubigen, die nebeneinander stehen und untereinander Glieder sind. Hauptsein läßt sich nur in besonders dafür bestimmten und befähigten Gläubigen verwirklichen, die Christus in besonderer Weise für sich beansprucht und an sich gezogen hat, nicht, um sie als Person zu erhöhen, sondern, um sie für die anderen in Unterordnung unter Christus heilswirksam zu machen. Zuletzt ist das Priestertum in Entsprechung zur Heilsordnung dazu geschaffen, daß Christus das Heilswerk in der Hand behalten kann. Wenn alle Haupt wären, gäbe es keine Glieder. Die Ordnung des Heils wäre gestört. .

Die anderen Gläubigen werden dadurch nicht zurückgesetzt. Sie werden durch diese Ordnung vielmehr instandgesetzt, das Heil auch gewiß und sicher von dazu Beauftragten zu empfangen und so wirklich Christus zu begegnen und nicht dem privaten Subjekt eines anderen Gläubigen. Indem die Gläubigen auf diese Weise an einen Spender des Sakramentes verwiesen sind, verlieren sie nichts an Bedeutung, an Würde und an Gnade im Leibe Christi; denn die Priesterweihe schenkt dem Priester nicht mehr und höhere Gnade, sondern nur eine andere Gnade, nämlich die des Christushandelns an den Gläubigen. Diese Gnade ist aber nie zu seiner persönlichen Erhöhung oder Erhebung über die anderen gedacht, sondern nur zum Dienst an ihnen. Dieser Dienst macht den Priester als Diener Christi in gewisser Weise den Gläubigen sogar untertan. Der Dienst erbringt dem Priester keine persönliche Erhöhung, sondern eine tiefere Verantwortung, nach deren Erfüllung sich dann einmal erst seine persönliche Erhöhung bemessen wird.

 

(1) Vgl. dazu L. Scheffczyk, Vom Enthusiasmus hin zum Realismus, in: Die Tagespost vom 28.6.2003, 12.

(2) Lumen Gentium, 1; 11.

(3) Lumen Gentium, 11.

(4) E. Schlink, Ökumenische Dogmatik, Göttingen 1983, 513.

(5) Lumen Gentium, 10.

(6) Lumen Gentium, 10.

(7) Schreiben der deutschen Bischöfe 1969, nr. 28

(8)Lexikon für Theologie und Kirche, Das Zweite Vatikanische Konzil III, 1968, 146.

(9) Christifideles Laici, 1988, nr. 23.

(10)Presbyterorum Ordinis, 6.

(11) Lumen Gentium 10; 28.

(12) Apostolische Schreiben über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe, 1994, nr. 4.

(13) Presbyterorum Ordinis, 14.

(14) Vgl. P. Winninger, Für eine zukunftsfähige Gestalt des priesterlichen Amtes, in: Anzeiger für die Seelsorge 7/8 (2003) 33-35.

(15) Diese mystisch-sakramentale Dimension wird auch verkannt von N. Scholl: Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde, in: Ebda., 38-40.